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Radetzkymarsch

Roman, In der Fassung der Erstausgabe von 1932, Manesse Bibliothek der Weltliteratur

Erschienen am 15.03.2010
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783717522188
Sprache: Deutsch
Umfang: 654 S.
Format (T/L/B): 2.9 x 15.5 x 10 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

«Eines der schönsten Prosawerke des Jahrhunderts, voller Traurigkeit, voller Weisheit, voller Schrecknis» (Peter Wapnewski) Nicht nur jedem Anfang, auch so manchem Ende wohnt ein Zauber inne. Joseph Roth, literarischer Kronzeuge der Donaumonarchie, bringt deren endzeitlichen Zauber noch ein letztes Mal zum Aufleuchten. «Radetzkymarsch», sein berührendes Requiem auf das alte Österreich, ist selbst durchdrungen von jener taktvollen Grazie, der es in einer unzeitgemäßen Welt nachspürt.Ein gütiger Patriarch wacht in weisem Ratschluss über seine Untertanen, die Weltordnung der Habsburger scheint unvergänglich. Doch hinter kaiserlichem Glanz und Gloria mehren sich die Anzeichen des Verfalls. In Marsch- und Walzerklänge mischen sich Trommelwirbel und schrille nationalistische Töne. Franz von Trotta, Spross einer vom Kaiser protegierten Familie, wird gewahr, dass die Welt, die er als k.u.k.-Beamter in der böhmischen Provinz bis in die letzte Faser seines Wesens repräsentiert, längst dem Untergang geweiht ist. Bald wird nichts mehr sein, wie es einmal war. Der liebenswürdige Melancholiker Roth (1894-1939) hat die «Welt von Gestern» von ihrem Ende her vermessen. Er zeigt den Anachronismus eines Reichs, das zusehends in lähmendem Fatalismus versinkt, verschweigt nicht die schrittweise Aushöhlung schwarzgelber Traditionen, des Kaisers «unbarmherzigen Glanz», offenbart aber zugleich die bis heute ungebrochene Faszination: den hohen Ehrbegriff, die geistreiche Sinnlichkeit, die legere und genießerische Lebensart. Mit leiser Wehmut, dabei so unbestechlich, wie es einem Chronisten zukommt, zeigt er das Nebeneinander von Strenge und Eleganz, Noblesse und Biedersinn, Souveränität und Unvermögen. Der «Radetzkymarsch», lange Zeit nur in entstellter Textgestalt zugänglich, wird hier in der vom Autor beglaubigten Erstfassung von 1932 vorgelegt.

Autorenportrait

Joseph Roth wurde 1894 im österreichisch-ungarischen Brody geboren. Er arbeitete zunächst als Journalist in Wien und Berlin. Als Schriftsteller wurde er vor allem durch seine Romane 'Hiob' (1930) und 'Radetzkymarsch' (1932) bekannt. Roths Beobachtungsgabe und seine exakten, anschaulichen Darstellungen findet man auch in seinen Erzählungen. Der alkoholkranke Joseph Roth starb 1939 in Paris.

Leseprobe

Die Trottas waren ein junges Geschlecht. Ihr Ahnherr hatte nach der Schlacht bei Solferino1 den Adel bekommen. Er war Slowene. Sipolje - der Name des Dorfes, aus dem er stammte - wurde sein Adelsprädikat. Zu einer besondern Tat hatte ihn das Schicksal ausersehn. Er aber sorgte dafür, dass ihn die späteren Zeiten aus dem Gedächtnis verloren. In der Schlacht bei Solferino befehligte er als Leutnant der Infanterie einen Zug. Seit einer halben Stunde war das Gefecht im Gange. Drei Schritte vor sich sah er die weißen Rücken seiner Soldaten. Die erste Reihe seines Zuges kniete, die zweite stand. Heiter waren alle und sicher des Siegs. Sie hatten ausgiebig gegessen und Branntwein getrunken, auf Kosten und zu Ehren des Kaisers, der seit gestern im Felde war. Hier und dort fiel einer aus der Reihe. Trotta sprang flugs in jede Lücke und schoss aus den verwaisten Gewehren der Toten und Verwundeten. Bald schloss er dichter die gelichtete Reihe, bald wieder dehnte er sie aus, nach vielen Richtungen spähend mit hundertfach geschärftem Auge, nach vielen Richtungen lauschend mit gespanntem Ohr. Mitten durch das Knattern der Gewehre klaubte sein flinkes Gehör die seltenen hellen Kommandos seines Hauptmanns. sein scharfes Auge durchbrach den blaugrauen Nebel vor den Linien des Feindes. Niemals schoss er, ohne zu zielen, und jeder seiner Schüsse traf. Die Leute spürten seine hand und seinen Blick, hörten seinen Ruf und fühlten sich sicher. Der Feind machte eine pause. Durch die unabsehbar lange Reihe der Front lief das Kommando: 'Feuer einstellen!' hier und dort klapperte noch ein Ladstock, hier und dort knallte noch ein Schuss, verspätet und einsam. Der blaugraue Nebel zwischen den Fronten lichtete sich ein wenig. Man stand auf einmal in der mittäglichen Wärme der silbernen, verdeckten gewitterlichen Sonne. Da erschien zwischen dem Leutnant und den Rücken der Soldaten der Kaiser mit zwei Offizieren des Generalstabs. Er wollte gerade einen Feldstecher, den ihm einer der Begleiter reichte, an die Augen führen. Trotta wusste, was das bedeutete: selbst wenn man annahm, dass der Feind auf dem Rückzug begriffen war, so stand seine Nachhut gewiss gegen die Österreicher gewendet, und wer einen Feldstecher hob, gab ihr zu erkennen, dass er ein Ziel sei, würdig, getroffen zu werden. Und es war der junge Kaiser.2 Trotta fühlte sein Herz im Halse. Die Angst vor der unausdenkbaren, der grenzenlosen Katastrophe, die ihn selbst, das Regiment, die Armee, den Staat, die ganze Welt vernichten würde, jagte glühende Fröste durch seinen Körper. Seine Knie zitterten. Und der ewige Groll des subalternen Frontoffiziers gegen die hohen Herren des Generalstabs, die keine Ahnung von der bitteren Praxis hatten, diktierte dem Leutnant jene Handlung, die seinen Namen unauslöschlich in die Geschichte seines Regiments einprägte. Er griff mit beiden Händen nach den Schultern des Monarchen, um ihn niederzudrücken. Der Leutnant hatte wohl zu stark angefasst. Der Kaiser fiel sofort um. Die Begleiter stürzten auf den Fallenden. In diesem Augenblick durchbohrte ein Schuss die linke Schulter des Leutnants, jener Schuss eben, der dem Herzen des Kaisers gegolten hatte. Während er sich erhob, sank der Leutnant nieder. Überall, die ganze Front entlang, erwachte das wirre und unregelmäßige Geknatter der erschrockenen und aus dem Schlummer gerissenen Gewehre. Der Kaiser, ungeduldig von seinen Begleitern gemahnt, die gefährliche Stelle zu verlassen, beugte sich dennoch über den liegenden Leutnant und fragte, eingedenk seiner kaiserlichen Pflicht, den Ohnmächtigen, der nichts mehr hörte, wie er denn heiße. Ein Regimentsarzt, ein Sanitätsunteroffizier und zwei Mann mit einer Tragbahre galoppierten herbei, die Rücken geduckt und die Köpfe gesenkt. Die Offiziere des Generalstabs rissen erst den Kaiser nieder und warfen sich dann selbst zu Boden. 'Hier den Leutnant!' - rief der Kaiser zum atemlosen Regimentsarzt empor. Inzwischen hatte sich das Feuer wieder beruhigt. Und während der Leseprobe
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